Neue DAK-Studie präsentiert Zahlen zur problematischen Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen

Die Krankenkasse DAK-Gesundheit hat in Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf die neueste und damit siebte Längsschnittstudie zur problematischen Mediennutzung bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland veröffentlicht und am 13. März bei einer hybriden Konferenz die Ergebnisse präsentiert. Aus den vorgestellten Ergebnissen wurden abgeleitete Apelle an die Kultusministerien der Länder gerichtet.

Für die Studie wurden durch das Meinungsforschungsinstitut Forsa rund 1000 Familien mit ihren 10- bis 17-jährigen Kindern befragt und Daten zu problematischem Gamingverhalten, Social Media-Nutzung und seit 2021 auch zu Streaming erhoben. Dazu füllten die Eltern und die Kinder jeweils einen eigenen Online-Fragebogen aus. Unter „problematischer Mediennutzung“ werden in der Studie einerseits die pathologische Computerspielstörung und andererseits die riskante Computerspielnutzung nach den Kriterien der ICD-11 zusammengefasst.
Eine pathologische Computerspielstörung, umgangssprachlich auch als „Computerspielsucht“ bezeichnet, liegt demnach vor, wenn ein Kontrollverlust über das Spielverhalten, eine wachsende Bedeutung des Spielens über andere Interessen und Aktivitäten hinaus sowie das Weiterspielen trotz negativer Konsequenzen für die betroffene Person über mindestens 12 Monate hinweg andauern. Sind die Symptome besonders stark ausgeprägt, kann der Zeitraum auch verkürzt werden.
Eine riskante Computerspielnutzung kommt in Abgrenzung dazu bereits in Frage, wenn das Spielverhalten das Risiko schädlicher physischer oder psychischer Folgen für die betroffene Person oder Personen in ihrem Umfeld merklich erhöht. Die hier gemeinten Risiken können zum Beispiel Cybergrooming, Abzocke und HateSpeech im Spiel oder eben die Vernachlässigung anderer Aktivitäten außerhalb des Spielens sein. Mehr zur Abgrenzung der beiden Störungsbilder ist hier zu finden.
Für eine pathologische Social Media-Nutzung gibt es in der ICD-11 hingegen noch keine eigene Diagnose. Im Rahmen der DAK-Studie wurden deshalb für die Erfassung der Social Media- und Streaming-Nutzung eigene Fragebögen entwickelt und angewandt, die sich aber grundlegend an den Kriterien der Computerspielstörung orientieren.

In der Hochrechnung weisen 25,8% der Kinder und Jugendlichen eine problematische Social Media-Nutzung auf, davon 21,1% (24,5% im Vorjahr) riskant und 4,7% (6,1% im Vorjahr) pathologisch. Beim Gaming weisen 12% eine problematische Nutzung auf, hier nutzen 8,6% (11,1% im Vorjahr) Videospiele riskant und 3,4% (4,3% im Vorjahr) pathologisch. Diese Zahlen sind zwar noch immer höher als vor Corona, seitdem aber rückläufig. Nur beim problematischen Streaming (16,2%) gibt es einen Anstieg bei der pathologischen Nutzung von 1,2% (Vorjahr) auf 2,6%. Die riskante Nutzung ist mit 13,4% rückläufig (14,4% im Vorjahr).
Bei den Ergebnissen handelt es sich ausschließlich um Selbsteinschätzungen der befragten Heranwachsenden und ihren Eltern und nicht um abschließende Diagnosen, die Aussagekraft der vorliegenden Daten ist demnach limitiert.

Neu abgefragt wurde das sogenannte „Phubbing“. Von diesem ist die Rede, wenn das Gegenüber beispielsweise in gemeinsamen Gesprächen plötzlich zum Smartphone greift und damit Ablenkung und Desinteresse suggeriert. Gut ein Drittel aller Familien (Kinder 35%, Eltern 29%) erleben regelmäßig, dass sie während sozialer Interaktionen von anderen Familienmitgliedern gephubbt werden. Oft führt dieses Verhalten zu sozialen Konflikten. Solche Phubbing-Erfahrungen sollen mit steigender Häufigkeit vermehrt zu Einsamkeit, Depressionen, Angstzuständen oder Stress führen

Die DAK und weitere Gäste bei der Studienvorstellung sehen es als gesamtgesellschaftliche Aufgabe, Heranwachsende zu einer gesunden Mediennutzung zu befähigen. Eltern, Schule und Staat müssen sich damit beschäftigen. Dazu wurden Forderungen an die Kultusministerien der Länder gerichtet: Bildungsangebote für Eltern sollen ausgeweitet werden – in Form von Elternabenden, Workshops oder Informations- und Beratungsseiten. Es soll flächendeckend ein Schulfach zur Gesundheitsförderung eingeführt werden, in dem Kompetenzen im Bereich der physischen und psychischen Gesundheit (z.B. Achtsamkeit, Wohlbefinden, Suchtprävention) sowie im Bereich der Mediennutzung vermittelt werden sollen. Medienkompetenz wird hier also als Gesundheitskompetenz verstanden.
Des Weiteren werden gesetzliche Regulierungen und strengere Vorgaben von Anbietern digitaler Dienste zum Schutze der Heranwachsenden vor schädlicher Mediennutzung gefordert. Wie genau diese Schutzmaßnahmen aussehen sollen, wird nicht erläutert.
Die Präventionsforschung soll vor allem im Bereich der riskanten Mediennutzung ausgeweitet werden. Die DAK selbst reagiert auf die erhobenen Bedarfe, indem ab dem 1. April ein Mediensuchtscreening für versicherte Kinder und Jugendliche im Alter von 12 bis 17 Jahren angeboten wird, um frühzeitig bei ersten Warnzeichen für problematische Nutzung agieren zu können. Dafür kommt in den J1- und J2-Vorsorgeuntersuchungen nun erstmals der in der Studie entwickelte Fragebogen zum Einsatz. Bei Auffälligkeiten bei der Mediennutzung werden den Eltern und den Heranwachsenden Möglichkeiten aufgezeigt, um einer beginnenden pathologischen Nutzung entgegenzuwirken oder bereits bestehendes Suchtverhalten zu behandeln. Zudem fördert die DAK eine Online-Anlaufstelle „Mediensucht“ am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.

Seit der Veröffentlichung der Studie gehen Artikel mit alarmierenden Titeln durch die Medien, wie „Ein Viertel der jungen Menschen hat ein Medienproblem„, „Immer mehr Kinder und Jugendliche sind mediensüchtig“ oder „DAK-Studie: Mediensucht bei Jugendlichen – 1,3 Millionen Betroffene„, die Ängste bei Eltern und Fachkräften hervorrufen können. Mit den 1,3 Millionen „Betroffenen“ sind die 25,8% der Heranwachsenden gemeint, die eine problematische Social-Media-Nutzung aufweisen. „Problematische Mediennutzung“ ist aber wie eingangs beschrieben nicht mit „Mediensucht“ gleichzusetzen. Nur bei pathologischer Nutzung wird von Sucht gesprochen, und hier sind die Zahlen deutlich niedriger. Die Studie zeigt auf, dass der Großteil der Zahlen seit Corona rückläufig ist und somit immer weniger Heranwachsende süchtig sind. Laut der DAK kann dieser Rückgang auf eine Normalisierung nach der Pandemie zurückgeführt werden. Vielleicht spielen aber noch weitere Aspekte eine Rolle: Die aktuellste JIM-Studie zeigt auf, dass immer mehr Jugendliche ihrer Mediennutzung überdrüssig sind und deshalb gerne mal abschalten. Eventuell ist ein Rückgang der problematischen Nutzungszahlen auf ein steigendes Bewusstsein für gesunde Mediennutzung zurückzuführen. Dennoch sind die Zahlen weiterhin hoch genug, sodass eine verstärkte Aufmerksamkeit diesem Thema gegenüber gerechtfertigt ist. Heranwachsende, Eltern und Fachkräfte müssen in einer gesunden und kompetenten Mediennutzung geschult werden und suchtfördernde Mechanismen in digitalen Angeboten abgeschafft oder stark eingeschränkt werden.

Den Ergebnisbericht, die Aufzeichnung der Studienvorstellung und weitere Erläuterungen finden Sie hier.

Bei Fragen rund um exzessive Mediennutzung wenden Sie sich gerne an uns
per Mail: jugendschutz[at]fjp-media.de oder per Telefon: 0391 / 503 76 38.

Innerhalb von Magdeburg wenden Sie sich gerne an unsere Kollegin von der Medienpause.